Die Stossrichtung in allen Papieren und Strategien zu Mobilitätsfragen ist klar: Der öffentliche Verkehr muss gestärkt werden, der Modalsplit zu seinen Gunsten verändert werden, in Agglomerationen soll zusätzlicher Verkehr mit öV, Velo und Fussverkehr aufgefangen werden und über allem schweben die vier V: Vermeiden, Verlagern, Vernetzen und Verträglich gestalten.

Diese Grundsätze sind im Sachplan Verkehr des Bundes festgehalten, in kantonalen Richtplänen oder Mobilitätsstrategien. Diverse Studien zeigen, dass wir ohne diese Stossrichtung das Ziel fossilfrei 2050 glatt vergessen können. Denn die Elektrifizierung des Autoverkehrs löst alleine das Problem nicht. Auch deshalb hat das Parlament in Vorstössen verlangt, dass der öV-Anteil am Modalsplit erhöht werden muss.  

An seiner 100 Tage Medienkonferenz sagte Bundesrat Albert Rösti nun einen bedenkenswerten Satz dazu:  «Es macht Sinn, den ÖV dort zu verstärken, wo er mit dem Privatverkehr nicht wettbewerbsfähig ist und umgekehrt.» Was will uns der neue UVEK-Vorsteher damit sagen? Dass wir ausgerechnet im Mittelland auf längeren Strecken die Auto-Infrastruktur ausbauen sollen, nur weil zwischen den grossen Zentren die Bahn die Menschen rascher ans Ziel bringen ist und mithilft, die Leute zum Umsteigen zu motivieren? Oder braucht es gar höhere Tempolimiten oder eine Beschränkung bei der Bahn? Wir wissen nicht, wie Bundesrat Rösti das Auto wettbewerbsfähiger machen will, aber wir wissen mit Bestimmtheit, dass diese Idee so absurd wie klimaschädigend ist.  

Bundesrat Rösti kramte ebenfalls das ebenso abgedroschene wie antiquierte Bild der freien Wahl des Verkehrsmittels hervor. Abgesehen davon, dass meines Wissens heute die meisten Städte noch mit dem Auto erreichbar sind, ist das mit der Wahl so eine Sache. Wer auf dem Land nur vier Mal pro Tag ein Postauto hat, an manchen Orten auch mal gar keins, der kann auch nicht wirklich wählen. Und da passt doch gleich noch dazu, dass der Bundesrat, dieses Mal unter Federführung der Kollegin Karin Keller-Sutter, das öV-Budget um mehrere Prozente kürzen will, was dann genau jene überproportional trifft, die auf dem Land wohnen und heute Linien benützen, die einen schlechten Kostendeckungsgrad haben. Sie werden als erste gestrichen.  

Das Zusammenspiel der Autofreund*innen und Bundesrat Albert Rösti kommt jetzt ins Rollen. An seiner Medienkonferenz gab er für den Autobahnausbau den ziemlich offensichtlichen Tipp zur Aufnahme eines weiteren Projektes in der Autobahnausbau-Vorlage: «Wenn das Parlament (…) die Westschweiz noch spezifisch berücksichtigen will, finde ich dies aus einer übergeordneten Landessicht durchaus verständlich.» Flugs wurde das aufgenommen und diese Woche von der nationalrätlichen Verkehrskommission beschlossen. Ohne vertiefte Abklärungen soll nun das Stück Le Vengeron-Coppet-Nyon gebaut werden. Kostet ja auch nur knapp eine Milliarde Franken.  

Damit wird in der Mobilitätspolitik der Rückwärtsgang eingelegt. Der verstärkte Strassenausbau bremst die Verlagerung und Vermeidung der Mobilität und entspricht nicht einmal einem dringenden Bedürfnis: Seit 2017 hat der Verkehr gerade auf jenen Autobahnabschnitten nicht mehr zugenommen, die nun ausgebaut werden sollen. Offensichtlich sind die Menschen in unserem Land am Umsteigen und etwas weniger am Pendeln. In dieser Situation Autobahnen auf sechs oder gar acht Spuren auszubauen und diesen Ausbau noch weiter anzufeuern, ist eine historische Fahrlässigkeit.  

Michael Töngi
Nationalrat LU
@mtoengi