Bundesrat Rösti verliert sich in Atomträumereien
Am jährlichen Stromkongress in Bern vom 18. Januar 2023 sprach Albert Rösti zum ersten Mal als Bundesrat öffentlich und proaktiv zum Energiethema. Dabei bestätigte er unsere Befürchtungen: Mit Albert Rösti kommt die Atomkraft wieder auf die Agenda und Biodiversität und Landschaftsschutz werden bedingungslos der Energiewende geopfert.
Die Schweizer Bevölkerung hat 2017 die Energiestrategie angenommen, die den Atomausstieg und ein Verbot neuer Atomkraftwerke beinhaltet. Trotzdem fordert Albert Rösti in seiner allerersten Rede als Bundesrat die Renaissance der Atomkraft. Dabei deutete er an, dass die Laufzeiten der bestehenden Atomkraftwerke so lange wie möglich zu verlängern seien, nämlich bis zu 60 Jahre. Um die Betriebsdauer so massiv auszureizen, sollten die Atomkraftwerksbetreiber für sicherheitsrelevante Investitionen sogar Subventionen erhalten. Die Risiken dieser Strategie (auch die finanziellen) trägt die Allgemeinheit: Bereits heute sind weder der AKW-Rückbau noch die Versicherungen gedeckt, das übernimmt alles die öffentliche Hand. Mit seinen expliziten Worten für die teure und gefährliche Atomkraft stellt sich Bundesrat Rösti gegen die Haltung des Gesamtbundesrates. Der Rollenwechsel vom Parteivertreter der SVP im Parlament hin zum Bundesrat ist Albert Rösti also noch nicht gelungen…
Bundesrat Rösti sprach auch über Landschaftsschutz und Biodiversität. Diese sollen der Energieproduktion klar untergeordnet werden. Grundsätzlich ist ein rascherer Ausbau der Produktion erneuerbarer Energien in der Schweiz begrüssenswert. Die Botschaft, die Bundesrat Rösti am Stromkongress aber platzierte war, dass dabei die Erhöhung bestehender oder den Bau neuer Staudämme und die Errichtung grosser Solarkraftwerke in den Alpen zu priorisieren sei. Die Haltung, die Interessen der Energieproduktion klar vor die Interessen der Landschaft und der Biodiversität zu stellen zeigt, dass Albert Rösti die Tragweite der Biodiversitätskrise nicht erfasst hat. Und das, obwohl in der Schweiz die Hälfte der natürlichen Lebensräume und ein Drittel der Arten bedroht sind. Ganz offensichtlich braucht der neue Umweltminister noch etwas Nachhilfe bei der Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Klima. Auch demokratische Beschwerderechte will Bundesrat Rösti mit beschleunigten Verfahren aushebeln und damit die Interessensvertretung der Biodiversität noch mehr schwächen.
Für uns ist klar: Der Schwerpunkt beim Ausbau der Erneuerbaren sollte ganz klar auf dem Ausbau der Solarenergie auf bestehenden Infrastrukturen und Dächern sowie auf Energieeinsparungen liegen. Energieeffizienz und Einsparungen fehlen auf dem Radar des neuen Umweltministers leider noch völlig.
Das Weltklima ist der SVP in jeder Hinsicht egal. Das Referendum gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative wurde einen Tag nach Bundesrat Röstis Rede am Stromkongress eingereicht. Bundesrat Rösti anerkennt weder den Biodiversitätsverlust noch die Dringlichkeit der Klimakrise. Das muss sich ändern, und zwar schnell!
Marionna Schlatter
Nationalrätin ZH
@marionnasch