Gentechnik bleibt Gentechnik
Bundesrat Rösti versucht mit einem Taschenspielertrick ein gentechnisches Ablenkungsmanöver. Aber auch «neue Züchtungstechnologien» sind Gentechnik.
Es ist ein altbekannter Trick: Wenn ein Begriff verbrannt ist, gibt man ihm einfach einen neuen Namen. Genau das versucht der Bundesrat derzeit mit den sogenannten «neuen Züchtungstechnologien». Die Genschere Crispr/Cas und ähnliche Verfahren sind und bleiben Gentechnik – doch statt sie wie bisher streng zu regulieren, will der Bundesrat ein eigenes Spezialgesetz schaffen, das die Risiken dieser Technologien verwischt. Das ist nicht weniger als ein dreister Etikettenschwindel – und ein direkter Angriff auf das Vertrauen der Konsument*innen in die Schweizer Landwirtschaft.
Der Bundesrat als Erfüllungsgehilfe der Industrie
Seit 2005 gilt in der Schweiz ein Moratorium für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft. Es wurde mehrfach verlängert, weil die Mehrheit der Bevölkerung keine gentechnisch veränderten Lebensmittel will. Doch nun hat sich der Bundesrat – allen voran Bundesrat Rösti – entschieden, die Interessen der Chemie- und Agrarindustrie über den Willen der Bevölkerung zu stellen.
Er spielt das Spiel der Konzerne, die nichts lieber wollen, als sich mit neuen Verfahren schleichend Zugang zur Schweizer Landwirtschaft zu verschaffen. Wissenschaftlich unbestritten ist: Auch die neuen Verfahren sind Gentechnik. Doch statt das bestehende Gesetz anzupassen, plant Rösti ein Spezialgesetz, das vor allem eines bezweckt: Die Tür für Gentechnik schleichend zu öffnen, ohne dass die Bevölkerung es merkt.
Ein Geschenk an die Agrarkonzerne auf Kosten der Bauern und Konsumenten
Dieser Taschenspielertrick kommt nicht von ungefähr. Hinter den Kulissen lobbyieren Grosskonzerne und Branchenverbände massiv für eine schwächere Regulierung. Der Verein «Sorten für morgen» – dem auch Migros und Coop angehören – hat bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine möglichst schrankenlose Zulassung der neuen Verfahren fordert.
Und siehe da: Bundesrat Rösti zeigt sich «erfreut» über diesen Vorschlag. Offenbar haben sich die Konzerninteressen in Bern einmal mehr durchgesetzt – während die Anliegen der Landwirt*innen und Konsument*innen mit leeren Versprechen abgespeist werden.
Täuschung statt Transparenz: Die Bevölkerung wird für dumm verkauft
Besonders perfide ist die geplante Streichung des Begriffs «Gentechnik» aus dem Gesetzestext. Wäre Bundesrat Rösti ehrlich, würde er offen kommunizieren, worum es hier geht. Doch genau das will er vermeiden, denn er weiss: Die Bevölkerung lehnt Gentechnik nach wie vor ab. Deshalb wird getrickst, umbenannt und umformuliert – auf Kosten der Wahlfreiheit der Konsument*innen.
Wer heute ein Produkt kauft, muss sich darauf verlassen können, dass «gentechfrei» auch wirklich bedeutet, was es verspricht. Ohne klare Kennzeichnung wird den Verbraucher*innen diese Wahl genommen. Das ist eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, gesteuert von den Interessen der Industrie.
Gentechnik bleibt Gentechnik
Es gibt noch zu viele offene Fragen: Wie können gentechnikfreie Betriebe vor Kontamination geschützt werden? Wer haftet für ungewollte Gentech-Verunreinigungen? Wie wird verhindert, dass Landwirt*innen in die Abhängigkeit von Agrarkonzernen geraten? All das müssen wir zuerst klären, bevor wir die Tür für diese neuen Verfahren aufstossen.
Das Parlament darf sich nicht von wirtschaftlichen Interessen treiben lassen, sondern muss sich die Zeit nehmen, eine verantwortungsvolle Regelung zu erarbeiten. Die Schweizer Landwirtschaft steht für Qualität und Vertrauen. Doch wenn Bundesrat Rösti weiterhin im vorauseilenden Gehorsam die Wünsche der Industrie umsetzt, wird genau dieses Vertrauen zerstört.
Marionna Schlatter
Nationalrätin ZH
Quelle: Tages-Anzeiger