Krasse Übersteuerung des Parlaments bei der Förderung der Nachtzüge
Wer mit dem Zug in die Ferien oder an ein Meeting fährt, zahlt nicht nur häufig mehr als für den Flieger. Für verschiedene Destinationen nimmt man auch Fahrten auf Strecken in Kauf, auf denen es seit Jahrzehnten keine Verbesserungen gab.
Insbesondere Richtung Lyon geht es sehr gemächlich, Richtung Belgien und England gibt es nur umständliche Umsteigefahrten, und nach Mailand fährt man oft hinter Regionalzügen her. Besonders ärgerlich sind aber die fehlenden Nachtverbindungen. Nach Rom und Barcelona fehlen sie, weitere Verbindungen auch über längere Strecken werden seit Jahren diskutiert, aber nicht umgesetzt.
Das Parlament hat auf verschiedenen Kanälen Druck gemacht. Mit dem neuen CO2-Gesetz hat es nun eine gesetzliche Grundlage geschaffen und gleichzeitig einen Kredit gesprochen, um diese Züge von 2025 bis 2030 zu fördern. Auch im Budget 2025 ist das Geld eingestellt. Und auch der Bundesrat wollte bis vor kurzem vorwärts machen. In den neuen strategischen Zielen haben die SBB den Auftrag erhalten, die internationalen Verbindungen zu verbessern.
Die SBB haben den Ball aufgenommen: Sie stellten die Inbetriebnahme von Nachtzügen nach Barcelona und Rom fürs nächste oder übernächste Jahr in Aussicht.
Mit einem Federstrich soll dies nun alles nicht mehr gelten. Kaum war der Gaillard- Abbaubericht publiziert, hat ihn der Bundesrat fast zur Gänze übernommen. Also weg mit der Unterstützung der internationalen Bahnverbindungen, die erst ein halbes Jahr zuvor beschlossen wurden.
Und damit 2025 sicher keine Fördermittel fliessen, hat der Bundesrat den vom Parlament gesprochenen Kredit gesperrt. Will heissen: Selbst wenn das Parlament in der Budgetdebatte an der Förderung festhält – also die Gelder nicht streicht – können sie nicht ausbezahlt werden. Eine krasse Übersteuerung des parlamentarischen Willens.
Danach folgt ein langer Weg: Die Abbaumassnahmen sollen in einem Mantelerlass durch das Parlament beschlossen werden. Vernehmlassung nächstes Jahr, Kommissionsarbeit sicher erst zweite Hälfte 2025 und Parlamentsdebatte kaum vor 2026 – wie immer ohne Gewähr und mit einer hohen Chance auf ein nötiges Referendum. Realistischerweise würden dann bei einer Ablehnung dieses Abbaus erst 2028 überhaupt Fördergelder fliessen: Für noch ganze drei Jahre. Und welches Bahnunternehmen könnte nach einem lange unklaren Entscheid gleich im nächsten Jahr neue Linien anbieten? Es braucht wenig hellseherische Fähigkeiten: Keines.
Das ist leider noch nicht alles. Der Witz an der Sache ist: Die Fördergelder für den internationalen Bahnverkehr werden aus der Versteigerung der Emissionsrechte für Luftfahrzeuge gespiesen. Sie sind gemäss CO2-Gesetz zweckgebunden für diese Förderung. Bleiben Mittel aus diesen Versteigerungen übrig, so werden sie zur Entwicklung von erneuerbarem synthetischem Treibstoff für die Luftfahrt verwendet. Wenn also diese Gelder für den Bahnverkehr nicht gesprochen werden, fliessen sie in einen anderen Bereich. Für die Bundeskasse bleibt da null Ersparnis.
Kommt hinzu: Die Förderung internationaler Bahnverbindungen ist im Gesetz nicht als Kann-Formulierung drin. Der Bundesrat und Parlament sind also gehalten, dies jetzt auch zu realisieren. Mit Verankerung im Gesetz – und zwar verbindlich – mit einem Kredit und mit der Einstellung im Budget: Schärfer hätte es der Gesetzgeber kaum einfordern können.
Diese Aktion des Bundesrates unter Federführung von Albert Rösti hebelt das Parlament aus, bricht das Gesetz und spart nichts. Und bremst dazu alle Bemühungen für bessere Bahnverbindungen ins Ausland.
Bravo. Viel mehr Schaden kann man mit einer Notbremsung auf offener Strecke nicht verursachen.
Michael Töngi
Nationalrat LU